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VI ZR 365/03: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30.11.2004 u.a. zur Bagatellschadengrenze

Bagatellschadengrenze bei 700 Euro ist angemessen

 wichtige Auszüge aus BGH Urteil:

 Für die Frage, ob der Schädiger die Kosten eines Gutachtens zu ersetzen hat, ist entgegen der Auffassung der Revision nicht allein darauf abzustellen, ob die durch die Begutachtung ermittelte Schadenhöhe einen bestimmten Betrag überschreitet oder in einem bestimmten Verhältnis zu den Sachverständigenkosten steht, denn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters ist dem Geschädigten diese Höhe gerade nicht bekannt.

 unter anderem wird verkündet:

 Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beauftragung eines Sachverständigen sei erforderlich gewesen, weil der Schaden im Streitfall mehr als EUR 715,81 betragen habe und es sich deshalb nicht um einen Bagatellschaden gehandelt habe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das gesamte Urteil ↓

BGH, Urteil vom 30. November 2004 – VI ZR 365/03 – 

BGB §§ 823 Ha, 828 Abs. 2, 249 Hb

a) Das Haftungsprivileg des § 828 Abs. 2 Satz 1 BGB greift nur ein, wenn sich bei

der gegebenen Fallkonstellation eine typische Überforderungssituation des Kindes

durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs realisiert hat (vgl. Senatsurteil

vom 30. November 2004 – VI ZR 335/03 – zur Veröffentlichung in BGHZ

bestimmt).

b) Für die Beurteilung, ob die Kosten eines Sachverständigengutachtens zum erforderlichen

Herstellungsaufwand gehören und vom Schädiger zu ersetzen sind,

kann im Rahmen tatrichterlicher Würdigung auch die von dem Gutachter ermittelte

Schadenshöhe berücksichtigt werden.

 

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung

vom 30. November 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die

Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts

Duisburg vom 4. Dezember 2003 wird auf Kosten der Beklagten

zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Am 17. September 2002 fuhren die damals neunjährige Beklagte und ihre

Spielkameraden mit Fahrrädern auf einem Parkplatz zwischen parkenden

Fahrzeugen hindurch. Dabei verlor die Beklagte das Gleichgewicht. Sie kippte

mit ihrem Fahrrad um und stieß gegen den dort geparkten Pkw des Klägers. An

dem Fahrzeug entstand ein Sachschaden von 727,37 €, den der Kläger ersetzt

verlangt. Daneben macht er Gutachterkosten in Höhe von 192,18 € und eine

Auslagenpauschale von 25,00 € geltend. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen.

Das Landgericht hat ihr im wesentlichen stattgegeben und die Revision

zugelassen. Mit dieser begehrt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen

Urteils.

 

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält einen Schadensersatzanspruch aus § 823

Abs. 1 BGB für gegeben. Es meint, die deliktische Verantwortlichkeit der Beklagten

sei im Streitfall nicht gemäß § 828 Abs. 2 BGB n.F. ausgeschlossen.

Zwar könne diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach auch die Ersatzpflicht für

Schäden bei Unfällen im nicht fließenden Verkehr umfassen, doch werde die

Beschädigung eines ordnungsgemäß geparkten Kraftfahrzeugs vom Sinn und

Zweck der Norm nicht erfaßt. Eine Anwendung auch auf solche Fälle würde zu

unbilligen Ergebnissen führen, denn bei einem Zusammenstoß mit einer Mauer

oder einem geparkten Anhänger sei die Verantwortlichkeit des Kindes nicht

ausgeschlossen. Bei einem weiten Verständnis von § 828 Abs. 2 BGB n.F. bliebe

auch nahezu unberücksichtigt, daß diese Vorschrift die intellektuellen Defizite

von Kindern, nämlich deren Schwierigkeiten bei der Einschätzung von Entfernungen

und Geschwindigkeiten, im Auge habe.

Die Haftung sei auch nicht gemäß § 828 Abs. 3 BGB ausgeschlossen,

denn die Beklagte habe die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche

Einsicht gehabt. Sie habe auch fahrlässig gehandelt. Der zu ersetzende Schaden

betrage 944,55 €. Der Kläger könne auch Ersatz der Gutachterkosten verlangen.

Ein Bagatellschaden, bei dem die Hinzuziehung eines Sachverständigen

entbehrlich sei, liege nicht vor.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im

Ergebnis stand. Die Beklagte ist gemäß § 823 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem

Kläger den an seinem Pkw durch den Anstoß des Fahrrades entstandenen

Schaden zu ersetzen.

1. Unter den Umständen des Streitfalls hat das Berufungsgericht zutreffend

angenommen, daß die Verantwortung der Beklagten nicht gemäß § 828

Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist. Da das schädigende Ereignis nach dem

31. Juli 2002 eingetreten ist, bestimmt sich die Ersatzpflicht der Beklagten gemäß

Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB nach den Vorschriften der §§ 823, 828 BGB in

der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften

vom 19. Juli 2002 (BGBl. I, 2674). Nach dieser gesetzlichen Neuregelung

ist ein Minderjähriger, der das siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr

vollendet hat, für den Schaden nicht verantwortlich, den er bei einem Unfall mit

einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn einem anderen

fahrlässig zufügt (§ 828 Abs. 2 Satz 1 BGB).

a) Wie vom Berufungsgericht zutreffend gesehen, könnte der hier zu beurteilende

Sachverhalt nach dem Wortlaut des neugefaßten § 828 Abs. 2 Satz 1

BGB ohne weiteres unter das Haftungsprivileg für Minderjährige fallen. Aus seinem

Wortlaut geht nicht hervor, daß das Haftungsprivileg davon abhängen soll,

ob sich das an dem Unfall beteiligte Kraftfahrzeug im fließenden oder – wie der

hier geschädigte parkende Pkw – im ruhenden Verkehr befindet. Auch aus der

systematischen Stellung der Vorschrift ergibt sich nicht, daß der Gesetzgeber

einen bestimmten Betriebszustand des Kraftfahrzeugs zugrunde legen wollte,

zumal er bewußt nicht das Straßenverkehrsgesetz, sondern das allgemeine

Deliktsrecht als Standort für die Regelung gewählt hat (vgl. BT-Drucks.

14/7752, S. 26). Allein diese Auslegungsmethoden führten daher nicht zu dem

Ergebnis, daß § 828 Abs. 2 BGB auf Fälle des fließenden Verkehrs von Kraftfahrzeugen

begrenzt ist. Andererseits ist dem Wortlaut der Vorschrift auch nicht

zweifelsfrei zu entnehmen, daß sie sich ohne Ausnahme auf sämtliche Unfälle

beziehen soll, an denen ein Kraftfahrzeug beteiligt ist, wie schon die seit ihrem

Inkrafttreten dazu veröffentlichten kontroversen Meinungen im Schrifttum zeigen

(vgl. für eine weite Auslegung: Cahn, Einführung in das neue Schadensrecht,

2003, Rn. 232 ff.; Elsner DAR 2004, 130, 132; Jaklin/Middendorf, VersR

2004, 1104 ff.; MünchKommBGB/Wagner, 4. Aufl., § 828, Rn. 6; Pardey, DAR

2004, 499, 501 ff.; für eine einschränkende Auslegung: Ady, ZGS 2002, 237,

238; Erman/Schiemann, BGB, 11. Aufl., § 828 Rn. 2a; Heß/Buller, ZfS 2003,

218, 220; Huber, Das neue Schadensersatzrecht, 2003, § 3 Rn. 48 ff.; Kilian,

ZGS 2003, 168, 170; Lemcke, ZfS 2002, 318, 324; Ternig, VD 2004, 155, 157).

Im Hinblick darauf würde bei einer einschränkenden Auslegung oder bei einer

im Schrifttum und in der bisher veröffentlichten Rechtsprechung (vgl. LG Trier,

r+s 2004, 172; LG Koblenz, NJW 2004, 858; AG Sinzheim, NJW 2004, 453) in

Bezug auf parkende Fahrzeuge befürworteten teleologischen Reduktion der

Vorschrift jedenfalls keine einschränkende Anwendung vorliegen, die einem

nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz einen entgegengesetzten Sinn verliehe

oder den normativen Gehalt der auszulegenden Norm grundlegend neu

bestimmte und deshalb nicht zulässig wäre (vgl. BVerfG NJW 1997, 2230).

 

b) Da der Wortlaut des § 828 Abs. 2 BGB nicht zu einem eindeutigen Ergebnis

führt, ist der in der Vorschrift zum Ausdruck kommende objektivierte Wille

des Gesetzgebers mit Hilfe der weiteren Auslegungskriterien zu ermitteln,

wobei im vorliegenden Fall insbesondere die Gesetzesmaterialien von Bedeutung

sind. Aus ihnen ergibt sich mit der erforderlichen Deutlichkeit, daß das Haftungsprivileg

des § 828 Abs. 2 Satz 1 BGB nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift

nur eingreift, wenn sich bei der gegebenen Fallkonstellation eine typische

Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten

Verkehrs realisiert hat.

Mit der Einführung der Ausnahmevorschrift in § 828 Abs. 2 BGB wollte

der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, daß Kinder regelmäßig frühestens

ab Vollendung des zehnten Lebensjahres imstande sind, die besonderen

Gefahren des motorisierten Straßenverkehrs zu erkennen, insbesondere

Entfernungen und Geschwindigkeiten richtig einzuschätzen, und sich den Gefahren

entsprechend zu verhalten (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 16, 26). Allerdings

wollte er die Deliktsfähigkeit nicht generell (vgl. dazu Wille/Bettge, VersR

1971, 878, 882; Kuhlen, JZ 1990, 273, 276; Scheffen, 29. Deutscher Verkehrsgerichtstag

1991, Referat Nr. II/3, S. 97; dieselbe in Festschrift Steffen, 1995,

S. 387, 388 ff.) und nicht bei sämtlichen Verkehrsunfällen (vgl. Empfehlungen

des Deutschen Verkehrsgerichtstages 1991, S. 9; Antrag von Abgeordneten

und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 18. Juli 1996, BT-Drucks.

13/5302, S. 1 ff.; Antrag von Abgeordneten und der SPD-Fraktion vom 11. Dezember

1996, BT-Drucks. 13/6535, S. 1, 5 ff.) erst mit Vollendung des zehnten

Lebensjahres beginnen lassen. Er wollte die Heraufsetzung der Deliktsfähigkeit

vielmehr auf im motorisierten Straßen- oder Bahnverkehr plötzlich eintretende

Schadensereignisse begrenzen, bei denen die altersbedingten Defizite eines

Kindes, wie z.B. Entfernungen und Geschwindigkeiten nicht richtig einschätzen

zu können, regelmäßig zum Tragen kommen (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 26).

Für eine solche Begrenzung sprach, daß sich Kinder im motorisierten Verkehr

durch die Schnelligkeit, die Komplexität und die Unübersichtlichkeit der Abläufe

in einer besonderen Überforderungssituation befinden. Gerade in diesem Umfeld

wirken sich die Entwicklungsdefizite von Kindern besonders gravierend

aus. Demgegenüber weisen der nicht motorisierte Straßenverkehr und das allgemeine

Umfeld von Kindern gewöhnlich keine vergleichbare Gefahrenlage auf

(vgl. Bollweg/Hellmann, Das neue Schadensersatzrecht, 2002, Teil 3, § 828

BGB, Rn. 11; BT-Drucks. 14/7752, S. 16 f., 26 f.). Diese Erwägungen zeigen,

daß Kinder nach dem Willen des Gesetzgebers auch in dem hier maßgeblichen

Alter von sieben bis neun Jahren für einen Schaden haften sollen, wenn sich

bei dem Schadensereignis nicht ein typischer Fall der Überforderung des Kindes

durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs verwirklicht hat

und das Kind deshalb von der Haftung freigestellt werden soll.

Dem Wortlaut des § 828 Abs. 2 Satz 1 BGB ist nicht zu entnehmen, daß

der Gesetzgeber bei diesem Haftungsprivileg zwischen dem fließenden und

dem ruhenden Verkehr unterscheiden wollte, wenn es auch im fließenden Verkehr

häufiger als im sogenannten ruhenden Verkehr eingreifen mag. Das

schließt jedoch nicht aus, daß sich in besonders gelagerten Fällen – zu denen

der Streitfall aber nicht gehört – auch im ruhenden Verkehr eine spezifische Gefahr

des motorisierten Verkehrs verwirklichen kann (vgl. etwa Senatsurteile

BGHZ 29, 163, 166 f. und vom 25. Oktober 1994 – VI ZR 107/94 – VersR 1995,

90, 92). Der Gesetzgeber wollte vielmehr lediglich den Fällen einer typischen

Überforderung der betroffenen Kinder durch die spezifischen Gefahren des motorisierten

Verkehrs Rechnung tragen. Zwar wird in der Gesetzesbegründung

ausgeführt, der neue § 828 Abs. 2 BGB lehne sich an die Terminologie der Haftungsnormen

des Straßenverkehrsgesetzes an (vgl. BT-Drucks. aaO, S. 26).

Die danach folgende Erläuterung, im motorisierten Straßenverkehr sei das deliktsfähige

Alter heraufzusetzen, weil bei dort plötzlich eintretenden Schadensereignissen

in der Regel die altersbedingten Defizite eines Kindes beim Einschätzen

von Geschwindigkeiten und Entfernungen zum Tragen kämen (vgl.

BT-Drucks. aaO. S. 26 f.), zeigt aber deutlich, daß für den Gesetzgeber bei diesem

Aspekt nicht das bloße Vorhandensein eines Motors im Fahrzeug ausschlaggebend

war, sondern vielmehr der Umstand, daß die Motorkraft zu Geschwindigkeiten

führt, die zusammen mit der Entfernung eines Kraftfahrzeugs

von einem Kind vor Vollendung des zehnten Lebensjahres nur sehr schwer einzuschätzen

sind (vgl. Bollweg/Hellmann, aaO).

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß der Gesetzgeber

nur dann, wenn sich bei einem Schadensfall eine typische Überforderungssituation

des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs

verwirklicht hat, eine Ausnahme von der Deliktsfähigkeit bei Kindern vor Vollendung

des zehnten Lebensjahres schaffen wollte. Andere Schwierigkeiten für ein

Kind, sich im Straßenverkehr verkehrsgerecht zu verhalten, sollten diese Ausnahme

nicht rechtfertigen. Insoweit ging der Gesetzgeber davon aus, daß Kinder

in dem hier maßgeblichen Alter mit solchen Situationen nicht generell überfordert

sind und die Deliktsfähigkeit daher grundsätzlich zu bejahen ist. Das

wird auch deutlich bei der Begründung, weshalb das Haftungsprivileg in Fällen

vorsätzlicher Schädigung nicht gilt. Hierzu heißt es, daß in diesen Fällen die

Überforderungssituation als schadensursächlich auszuschließen sei und sich

jedenfalls nicht ausgewirkt habe (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 16, 27; Hentschel,

NZV 2002, 433, 442). Allerdings kam es dem Gesetzgeber darauf an, die

Rechtsstellung von Kindern im Straßenverkehr umfassend zu verbessern. Sie

sollte insbesondere nicht davon abhängen, ob das betroffene Kind im Einzelfall

„Täter“ oder „Opfer“ eines Unfalls ist, denn welche dieser beiden Möglichkeiten

sich verwirklicht, hängt oft vom Zufall ab (vgl. Medicus, Deutscher Verkehrsgerichtstag

2000, Referat Nr. III/4, S. 121; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, § 828

Rn. 4). Die Haftungsprivilegierung Minderjähriger erfaßt deshalb nicht nur die

Schäden, die Kinder einem anderen zufügen. Da § 828 BGB auch für die Frage

des Mitverschuldens nach § 254 BGB maßgeblich ist (vgl. Senatsurteil BGHZ

34, 355, 366), hat die Haftungsfreistellung Minderjähriger auch zur Folge, daß

Kinder dieses Alters sich ihren eigenen Ansprüchen, gleichviel ob sie aus allgemeinem

Deliktsrecht oder aus den Gefährdungshaftungstatbeständen des

Straßenverkehrsgesetzes oder des Haftpflichtgesetzes hergeleitet werden, ein

Mitverschulden bei der Schadensverursachung nicht entgegenhalten lassen

müssen (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 16; Bollweg/Hellmann, Das Neue Scha-

densersatzrecht, § 828 Teil 3, Rn. 5; Heß/Buller ZfS 2003, 218, 219). § 828

Abs. 2 BGB gilt deshalb unabhängig davon, ob das an einem Unfall mit einem

Kraftfahrzeug beteiligte Kind Schädiger oder Geschädigter ist.

Diese Grundsätze können im Streitfall jedoch nicht eingreifen, weil nach

den Feststellungen des Berufungsgerichts unter den Umständen des vorliegenden

Falles das Schadensereignis nicht auf einer typischen Überforderungssituation

des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs

beruht, so daß das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht eine Freistellung der

Beklagten von der Haftung verneint hat.

 

2. Zutreffend und von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsgericht

auch angenommen, daß § 828 Abs. 3 BGB einer haftungsrechtlichen Verantwortung

nicht entgegensteht. Daß die Beklagte nicht die zur Erkenntnis ihrer

Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht im Sinne von § 828 Abs. 3 BGB gehabt

hätte, hat diese nicht dargetan.

3. Die Revision wendet sich auch nicht dagegen, daß das Berufungsgericht

ein fahrlässiges Verhalten (§ 276 BGB) der Beklagten bejaht hat. Kinder in

ihrer Altersgruppe wissen, daß sie sich so zu verhalten haben, daß ihr Fahrrad

möglichst nicht gegen einen parkenden Pkw stößt und diesen beschädigt. Die

danach gebotene Sorgfalt hat die Beklagte mißachtet, indem sie mit ihrem

Fahrrad zwischen den parkenden Fahrzeugen hindurchfuhr, obwohl der Kläger

sie zuvor aufgefordert hatte, dieses zu unterlassen.

4. Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, daß sich unter den

vom Berufungsgericht festgestellten Umständen die Betriebsgefahr des parkenden

Fahrzeugs ausgewirkt haben könnte, so daß auch nicht eine Mithaftung

des Klägers nach den Grundsätzen des § 254 BGB in Betracht kommt.

5. Die Revision bleibt auch insoweit ohne Erfolg, als sie sich gegen die

Zuerkennung der Sachverständigenkosten wendet.

a) Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den mit

dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB (n.F.)

auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung

des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist

(vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1988 – X ZR 112/87 – NJW-RR 1989, 953,

956). Ebenso können diese Kosten zu dem nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB

(n.F.) erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung

zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und

zweckmäßig ist (vgl. Senatsurteil vom 6. November 1973 – VI ZR 27/73 – VersR

1974, 90, insoweit in BGHZ 61, 346 nicht abgedruckt).

 

b) Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen

Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung

abzustellen (vgl. zur Beauftragung eines Rechtsanwalts Senatsurteil vom

8. November 1994 – VI ZR 3/94 – NJW 1995, 446, 447). Demnach kommt es

darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach

seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen

für geboten erachten durfte (vgl. Senatsurteile BGHZ 54, 82, 85 und 61,

346, 349 f.; Geigel/Rixecker, Der Haftpflichtprozeß, 24. Aufl., 3. Kap., Rn. 111).

Diese Voraussetzungen sind zwar der Schadensminderungspflicht aus § 254

Abs. 2 BGB verwandt. Gleichwohl ergeben sie sich bereits aus § 249 BGB, so

daß die Darlegungs- und Beweislast hierfür beim Geschädigten liegt (vgl. Senatsurteil

BGHZ 61, 346, 351; Baumgärtel/Strieder, 2. Aufl., § 249 BGB, Rn. 7).

Für die Frage, ob der Schädiger die Kosten eines Gutachtens zu ersetzen

hat, ist entgegen der Auffassung der Revision nicht allein darauf abzustel-

len, ob die durch die Begutachtung ermittelte Schadenshöhe einen bestimmten

Betrag überschreitet oder in einem bestimmten Verhältnis zu den Sachverständigenkosten

steht, denn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters ist

dem Geschädigten diese Höhe gerade nicht bekannt. Allerdings kann der später

ermittelte Schadensumfang im Rahmen tatrichterlicher Würdigung nach

§ 287 ZPO oft ein Gesichtspunkt für die Beurteilung sein, ob eine Begutachtung

tatsächlich erforderlich war oder ob nicht möglicherweise andere, kostengünstigere

Schätzungen – wie beispielsweise ein Kostenvoranschlag eines Reparaturbetriebs

– ausgereicht hätten (vgl. Wortmann, VersR 1998, 1204 f.).

 

c) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beauftragung eines Sachverständigen

sei erforderlich gewesen, weil der Schaden im Streitfall mehr als

1.400 DM (715,81 €) betragen habe und es sich deshalb nicht um einen Bagatellschaden

gehandelt habe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der

Betrag liegt in dem Bereich, in dem nach allgemeiner Meinung die Bagatellschadensgrenze

anzusiedeln ist (vgl. MünchKommBGB/Oetker, 4. Aufl., § 249

BGB, Rn. 372 m.w.N.; Wussow/Karczewski, 15. Aufl., Kap. 41, Rn. 6 m.w.N.).

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Müller Greiner Wellner

Pauge Stöhr

Quelle: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30.11.2004, Aktenzeichen VI ZR 365/03

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